Die älteste und die teuerste Kamera der Welt

Der „Daguerréotype Giroux“ ist die erste kommerziell hergestellte Kamera der Welt und die Initialzündung für den weltweiten Siegeszug der Fotografie. Sie wurde 1839 nach den Originalplänen ihres Erfinders Louis-Jacques-Mandé Daguerre […]

Der „Daguerréotype Giroux“ ist die erste kommerziell hergestellte Kamera der Welt und die Initialzündung für den weltweiten Siegeszug der Fotografie. Sie wurde 1839 nach den Originalplänen ihres Erfinders Louis-Jacques-Mandé Daguerre bei dessen Schwager Alphones Giroux in Paris in geringer Stückzahl hergestellt.

Die Kamera, die am 29. Mai 2010 bei WestLicht Auktion in Wien versteigert wird, war bisher völlig unbekannt und wurde niemals publiziert. Sie war über Generationen in norddeutschem Privatbesitz. Der heutige Eigentümer hat sie in den 1970er Jahren anlässlich seiner bestandenen Gesellenprüfung als Optiker von seinem Vater als Geschenk bekommen.

Bemerkenswert ist der hervorragende Originalzustand des über 170 Jahre alten Gerätes. Alle Details wie das Objektiv, die von Daguerre persönlich unterzeichnete Plakette, der schwarze Samt im Inneren und der Mattscheiben-Rahmen sind im Urzustand. Die einzigartige Kamera kommt mit der extrem seltenen Originalanleitung in Deutsch mit dem Titel: „Praktische
Beschreibung des Daguerreotyp’s“, herausgegeben von Georg Gropius, Berlin 1839, 12x20cm, 24 Seiten, mit 18 Illustrationen auf 5 Platten, die das Gerät für die Herstellung von Daguerreotypien in Abstimmung mit Daguerre’s Erfindung, zeigen. Am Rücken des Büchleins befinden sich zwei handgeschriebene Zetteln von 1840 mit Details zum Verfahren.

Die Expertise ist von Michel Auer, dem international renommiertesten Fachmann für historische Kameras und Autor zahlerreicher Bücher erstellt worden. Weltweit sind nur einige dieser Kameras in öffentlichen Museen und Sammlungen bekannt, niemals vorher ist eine solche Kamera zum Verkauf in einer Auktion angeboten worden. Es wird erwartet, dass der von WestLicht Auktionen gehaltene Weltrekordpreis (ebenfalls eine Kamera aus 1839) in der Höhe von 576.000 Euro um einiges übertroffen wird. Der Startpreis beträgt 200.000 Euro, der Schätzwert 500.000 – 700.000 Euro.

Die historischen Hintergründe Seit Ende der 1820er Jahre experimentieren der umtriebige Theatermaler und Schausteller Louis-Jacques-Mandé Daguerre und der Lithograph Joseph Nicéphore Nièpce gemeinsam an einer Technik mit der es möglich sein soll die Bilder der Camera Obscura bleibend fest zu halten. 1829 gründen sie eine Firma zur Weiterentwicklung dieser Idee. Der technische Durchbruch gelingt Daguerre aber erst nach dem überraschenden Tod von Nièpce im Jahr 1833. Er verfeinert das Verfahren und Ende 1838 schaffte er es endlich die chemisch erzeugten Bilder auch permanent zu fixieren.

Die Öffentlichkeit erfährt erstmals am 6. Jänner 1839 in der Tageszeitung „La Gazette de France“ von der bahnbrechenden Erfindung. Details werden im Artikel aber kaum genannt. Daraufhin überschlagen sich die Ereignisse: einen Tag nach dem Erscheinen des Berichts hält der Physiker und Politiker Francoise Jean Arago ein glühendes Plädoyer und meint, die Daguerre’sche Erfindung sei zu wichtig, sie als die Angelegenheit eines Einzelnen betrachten zu können.

In einer flammenden Rede schlägt er vor, dass der Staat Frankreich die Fotografie der Welt zum Geschenk machen sollte. Diese Idee wird von der Pariser Deputiertenkammer begeistert angenommen und Daguerre und Isidor Nièpce, der Sohn seines ehemaligen Vertragspartners, erhalten als Gegenleistung vom Staat eine lebenslängliche Pension von insgesamt 10.000 Francs.

Am 19. August 1839 werden die Geheimnisse des neuen Verfahrens unter großem weltweitem Interesse gelüftet. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer und pünktlich zur öffentlichen Bekanntgabe ist bereits am 24. August die erste Anzeige der Firma Alphonse Giroux et Cie. für den „Daguerréotype“ im „Journal des Débats“ abgedruckt. In der Annonce wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Daguerre die Produktion persönlich überwacht und auch schon die Broschüre angekündigt, die das Verfahren in allen Einzelheiten beschreibt.

In dem Heftchen, das bald in zahlreiche Sprachen übersetzt wird und in 32 Ausgaben gedruckt wird, ist auch der genaue Bauplan für die von Daguerre entwickelt Kamera abgebildet. Nachdem ihm der französische Staat die Erfindung abgegolten hat, besitzt Daguerre zwar kein exklusives Recht mehr daran, als guter Geschäftsmann findet er dennoch Wege seinen nunmehr weltberühmten Namen zu Geld zu machen. Bereits am 22. Juni 1839, also bereits zwei Monate vor der Veröffentlichung seines Verfahrens, hat er einen Vertrag mit Alphonse Giroux und den Gebrüdern Susse unterzeichnet.(Eine Originalkamera von Susse Frères wurde übrigens von WestLicht Auktion 2007 um den Weltrekordpreis von 576.000 Euro verkauft).

Beiden Firmen wird darin das Exklusivrecht für die Herstellung und den Verkauf des „Daguerréotype“ und der notwendigen Ausrüstung zugesichert. Der berühmte Optiker Charles Chevalier äußerte sich enttäuscht über dieses Abkommen, da eigentlich er sich den Auftrag erhofft hat. Schließlich war es Chevalier gewesen, der den Kontakt zwischen Daguerre und Nièpce im Jahr 1826 initiiert und deren Experimente jahrelang verfolgt hatte. Dass die Wahl für den Bau des „Daguerréotype“ nun an einen Innenausstatter und ein Papierwarengeschäft gefallen ist, kommentiert der angesehene Erzeuger wissenschaftlicher Geräte in seiner Biografie spöttisch und ein wenig verärgert. Chevalier wird dessen ungeachtet beauftragt die Objektive für die Kameras beider Firmen herzustellen.

Die Kamera, die von Daguerres Schwager hergestellt wird, ist nobler ausgestattet als die des Konkurrenten. Jede Giroux-Kamera ist mit einer goldgefassten Plankette versehen, die neben dem Siegel des Herstellers auch die eigenhändige Unterschrift Daguerres trägt. Der Kaufpreis ist mit 400 Francs sehr hoch und entspricht ungefähr dem Jahresgehalt eines Arbeiters. Laut Vertrag bekommt Giroux die Hälfte und Daguerre und Niépce jeweils ein Viertel des Gewinns.

Es ist nicht überliefert wie viele Kameras insgesamt von Giroux hergestellt wurden – da es aber sehr bald preisgünstigere und verbesserte Kameras zu kaufen gab, wird die Gesamtzahl eher bescheiden gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass der „Daguerréotype“ ausschließlich im Jahr 1839 gebaut wurde. Eine Weiterentwicklung der Kamera seitens Daguerre hat es offensichtlich nicht gegeben. Auf der Höhe seines Ruhmes stirbt der inzwischen weltbekannte Erfinder 1851.

Zur Funktion der Kamera und zum Verfahren Die Herstellung von Daguerreotypien ist ein relativ aufwendiger Prozess. Da der Fotograf für jede Aufnahme die erst lichtempfindlich machen muss, ist es immer notwendig eine umfangreiche
Ausrüstung dabeizuhaben. Für Aufnahmen im Freien muss außerdem ein Dunkelkammerzelt mitgeführt werden.

Der „Daguerréotype“ wurde deshalb ursprünglich im Set mitsamt der für die Herstellung der Daguerreotypien benötigten Ausstattung verkauft. Die komplette Ausrüstung wog an die 50 Kilo und beinhaltete abgesehen von der Kamera ein Räucher- und ein Quecksilberkästchen, einen Spiritusbrenner, sowie die versilberten Kupferplatten und die notwendigen Chemikalien.

Die Kamera selbst besteht aus zwei ineinander geschobenen Holzkästen aus verschiedenen Holzsorten, wobei der größere, an dem auch das Objektiv befestigt ist, fix mit der Grundplatte verbunden ist. Der kleinere Kasten, in dessen Rückwand wahlweise die Mattscheibe oder das Magazin eingesetzt werden kann, passt lichtdicht in den vorderen Kamerateil, der innen mit schwarzem Samt ausgeschlagen ist.

Um das Bild scharf einzustellen wird der hintere Schubkasten entlang des hölzernen Laufbodens verschoben und in der geeigneten Position mit einer gerändelten Messingschraube fixiert. Ein hinter der Mattscheibe befindlicher Klappspiegel ermöglicht es, das projizierte Bild aufrecht stehend zu sehen.

Daguerre verwendete ursprünglich Platten aus reinem Silber, später aus Kostengründen versilberte Kupferplatten. Vor der Belichtung werden die Platten erstmals mit Jod oder Brom bedampft. Dies geschieht in einem hölzernen Räucherkästchen unter Zuhilfenahme eines Spiritusbrenners. Bei der Bedampfung bildet sich an der Oberfläche der Platte lichtempfindliches Silberjodid.

Um ein helleres Bild beim Scharfstellen und Einrichten der Aufnahme zu haben, wird die äußere Messingfassung des Objektivs abgenommen. Für die Aufnahme wird der Mattscheibenrahmen gegen die Kassette mit der nun lichtempfindlichen Aufnahmeplatte im Format 167 x 216 mm getauscht. Vor der Aufnahme wird die Blende wieder angesetzt und eine schwenkbare Klappe dient als Verschluss.

Als Belichtungszeit vermerkte Daguerre je nach der Intensität des Lichtes einen Zeitraum von 3 bis 30 Minuten. Nach der Aufnahme wird das Bild mit Hilfe von Quecksilberdämpfen entwickelt, wobei sich metallisches Quecksilber an das sehr schwache Silberbild anlagert. Nach der Entwicklung und Fixierung in einer Salz- oder Cyankali-Lösung, entsteht ein positives Bild aus grauem Quecksilber.

Der Farbton der Bilder war ursprünglich grau bis blaugrau und konnte nach Einführung der Goldtonung goldfarbig, purpurn bis sepiafarbig sein. Daguerreotypien sind erstaunlich gut nuanciert und praktisch ohne Korn – selbst mit einer Lupe
betrachtet sieht man eine Zeichnung bis ins letzte Detail. Unter Luftabschluß gerahmt sind sie zudem sehr beständig.

Daguerreotypien sind immer Unikate und können nicht vervielfältigt werden – das ist auch einer der Gründe wieso sie heute so begehrte Sammlerstücke sind.