Eiweißbarriere behindert HIV

Warum vermehrt oder versteckt sich HIV-1 in bestimmten Immunzellen besser als in anderen? Gibt es nätürliche Schutzmechanismen auf Immunzellen, die beeinflussen, wie sich HIV in den Zellen vermehrt? In ihrer […]

Warum vermehrt oder versteckt sich HIV-1 in bestimmten Immunzellen besser als in anderen? Gibt es nätürliche Schutzmechanismen auf Immunzellen, die beeinflussen, wie sich HIV in den Zellen vermehrt? In ihrer aktuellen Studie konnten Wissenschaftler des Heinrich-Pette-Instituts in Hamburg und der Universität Ulm eine wichtige Antwort auf diese Fragen finden. Das zelluläre Eiweiß Tetherin ist eine zentrale Barriere, die beeinflusst in welchen Immunzellen sich HIV-1 vermehren kann und somit den HIV-Zelltropismus lenkt.

„Im letzten Jahr konnten wir bereits einen Faktor identifizieren, der für die optimale Anpassung von HIV-1 an den Menschen wichtig ist und so zur AIDS-Pandemie beitragen konnte. Es ist das virale Eiweiß Vpu, das verschiedene Schutzmechanismen des menschlichen Immunsystems überwinden kann“, erklärt Michael Schindler vom Heinrich-Pette-Institut. Seit langem wird jedoch kontrovers diskutiert, in welche Immunzellen sich HIV-Erreger im Krankheitsverlauf zurückziehen können und wie sie z.B. im Körper die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Die Wissenschaftler interessiert vor allem, welche zellulären und viralen Faktoren für diesen HIV-Zelltropismus verantwortlich sind.

Für die aktuelle Studie untersuchten Schindler und seine Kollegen primäre Immunzellen – also Zellen, die direkt aus menschlichen Blut- und Gewebeproben gewonnen wurden. Neben voll funktionsfähigem HIV-1 wurde außerdem eine Virusmutante verwendet, die einen Defekt im Vpu-Gen hat. Dieser Defekt hat zur Folge, dass die Virusmutante einen wichtigen Schutzmechanismus auf Immunzellen gegen HIV-1, die so genannte Tetherin-Barriere, nicht optimal überwinden kann. Dieses Tetherin-Eiweiß wirkt auf den Immunzellen wie ein Klebstoff, der Virusnachkommen zurückhält, so dass sie nicht freigesetzt werden können.

„Jetzt zeigen wir zum ersten Mal, dass die Unterdrückung der Tetherin-Barriere durch Vpu in primären Immunzellen tatsächlich eine zentrale Rolle spielt“, fasst Michael Schindler zusammen. Die Virus-Mutante konnte diese Barriere auf Makrophagen, den „Fresszellen“ des Immunsystems, nicht überwinden. Der Grund: Makrophagen erzeugen hohe Mengen Tetherin und können deswegen nur durch HIV-1 Stämme mit voll funktionsfähigem Vpu infiziert werden. Im Gegensatz dazu ließen sich primäre T-Zellen jedoch auch durch den HIV-1 Stamm mit einem Defekt in Vpu infizieren und setzten große Mengen neuer Virusnachkommen frei. „Das liegt daran, dass T-Zellen nur wenig Tetherin auf ihrer Zellmembran tragen und diese Barriere somit auch durch die Vpu-Mutanten überwunden werden kann“, erklärt Schindler. Die Fähigkeit von Vpu, die Tetherin-Barriere auf verschiedenen Zelltypen zu überwinden, ist somit eine wichtige Determinante für den HIV-1 Zelltropismus.

Publikation im online-Fachjournal Retrovirology (M. Schindler et al; Retrovirology 2110, 7:1, doi:10.1186/1742-4690-7-1).

Bild: © Baumgeist / PIXELIO