Computer: Landauer-Prinzip umgehen und kühle statt heißer Luft erzeugen

Supercomputer brauchen viel Energie, die sie als Wärme freisetzen. Eine Studie aus der theoretischen Physik zeigt nun Erstaunliches: Beim Löschen gespeicherter Daten könnte die Wärmebildung vermieden und im Idealfall sogar […]

Supercomputer brauchen viel Energie, die sie als Wärme freisetzen. Eine Studie aus der theoretischen Physik zeigt nun Erstaunliches: Beim Löschen gespeicherter Daten könnte die Wärmebildung vermieden und im Idealfall sogar Kälte erzeugt werden. Hinter dieser praktischen Anwendung stehen grundlegende Überlegungen zu Wissen und Unwissen.

Wenn Rechner rechnen, produzieren sie vor allem eines: Wärme. Die Wärmeproduktion macht den Computer aus energetischer Sicht ineffizient, was nicht erst seit der laufenden Energiedebatte ein Problem ist. Zudem limitiert die Hitze auch die Leistung der Hochleistungsrechner, so dass eine Steigerung nur noch begrenzt möglich ist. Der enorme Energiebedarf und die überflüssige Wärmeproduktion machen Hochleistungsrechner also nicht nur teurer, sie behindern auch deren Weiterentwicklung.

Die jüngsten Forschungsresultate eines Teams von Physikern lassen deshalb aufhorchen. ETH-Professor Renato Renner beschreibt zusammen mit Professor Vlatko Vedral, vom Centre for Quantum Technologies der NU Singapore, im Fachmagazin Nature, wie beim Datenlöschen anstatt Wärme unter bestimmten Voraussetzungen Kälte entstehen könnte.

Der Physiker Rolf Landauer zeigte bereits 1961, dass beim Datenlöschen unweigerlich Energie in Form von Wärme freigesetzt wird. Das Landauer-Prinzip besagt, dass wenn eine bestimmte Anzahl an Rechenoperationen pro Sekunde überschritten wird, der Computer so viel Wärme produziert, dass diese unmöglich abgeführt werden kann. Renner geht davon aus, dass diese kritische Grenze in den nächsten 10 bis 20 Jahren erreicht wird. Die Wärmeabgabe beim Löschen einer Festplatte von zehn Terabyte beträgt zwar prinzipiell weniger als ein Millionstel Joule. Wird ein solcher Löschvorgang aber viele Male pro Sekunde wiederholt, summiert sich die Wärme dementsprechend auf.

Das Landauer-Prinzip, so zeigt nun die Studie, gilt aber nur, solange man den Wert, der zu löschenden Bits nicht kennt. Das Löschen eines Speichers ist bis jetzt ein irreversibler Prozess. Wenn der Speicherinhalt jedoch bekannt ist, wäre es möglich, ihn so zu löschen, dass er theoretisch wieder herstellbar wäre. Unter diesen Umständen würde das Landauer-Prinzip nicht mehr gelten.

Um das zu beweisen, verbanden die Wissenschaftler den Entropie-Begriff aus der Informationstheorie mit dem aus der Thermodynamik. In der Informationstheorie ist die Entropie ein Mass für die Informationsdichte. Sie beschreibt beispielsweise, wie viel Speicherplatz ein gegebenes Set von Daten bei optimaler Kompression einnehmen würde. In der Thermodynamik hingegen sagt die Entropie etwas über die Unordnung in Systemen (zum Beispiel der Moleküle in einem Gas) aus.

Das Konzept der Entropie existiert also in verschiedenen Disziplinen weitgehend unabhängig voneinander. «Wir haben nun gezeigt, dass in beiden Fällen der Entropie-Begriff eigentlich dasselbe beschreibt», hält der ETH-Physiker Renner fest. Da die Formeln gleich aussehen, vermutete man bereits früher eine Verknüpfung zwischen beiden. «Unsere Studie zeigt, dass die Entropie in beiden Fällen als eine Art Unwissen angesehen werden kann», sagt Renner. Wichtig dabei ist, dass ein Objekt nicht per se eine gewisse Entropie hat, sondern dass diese immer vom Beobachter abhängt. Auf das Beispiel mit dem Datenlöschen übertragen, heisst das: Wenn zwei Personen einen Datenspeicher löschen und einer von beiden mehr Wissen über den Speicherinhalt hat, kann dieser den Speicher mit weniger Energie löschen.

Denkt man die Ergebnisse der Wissenschaftler konsequent weiter, dann wird beim Löschen von Computerdaten im Extremfall keine Energie mehr gebraucht. Beim klassischen Computer ist das allerdings erst möglich, wenn dessen Prozessoren so klein sind, dass Quanteneffekte eine Rolle spielen. Das heisst, dass ein einzelnes Bit nicht wie heute durch hunderte in eine bestimmte Richtung ausgerichtete Atome auf einem Chip dargestellt wird, sondern dass der Wert jedes Bits nur noch in ein einziges Atom geschrieben wird.

Die Physiker gehen sogar noch einen Schritt weiter: Bei einem Quantencomputer könnte der Nutzer mit dem Speicherinhalt „verschränkt“ sein. Dies bedeutet, dass er den Speicherinhalt „mehr als vollständig kennt“, und damit die Entropie negativ wäre. Der Umgebung würde dann bei einem Löschvorgang sogar Wärme entzogen, diese also abgekühlt. «Das heisst nicht, dass wir das Perpetuum Mobile entwickeln können», betont Renner. Die der Umgebung entzogene Wärme würde zwar in nutzbare Energie umgewandelt, da das Löschen von Daten aber ein einmaliger Prozess ist, ergäbe sich dadurch keine fortlaufende Energiegewinnung.

Die neuen Erkenntnisse der Wissenschaftler über den Begriff der Entropie in der Physik und der Informationstheorie sind grundlegend — nicht nur im Bezug auf die Wärmeproduktion von Computern. Die innerhalb der Informationstheorie entwickelten Methoden, um beispielsweise mit unvollständigem Wissen umzugehen, könnten der Schlüssel zu einem neuartigen Verständnis der Thermodynamik sein.

Del Rio L, Aberg J, Renner R, Dahlsten O & Vedral V: The thermodynamic meaning of negative entropy, Nature (2011) doi: 10.1038/nature10123.

Bild: © Tobias Bräuning / PIXELIO