Planeten wiegen – von Merkur bis Saturn

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von David Champion vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) hat eine neue Methode erarbeitet, um Planeten im Sonnensystem zu wiegen und ihre Masse über […]

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von David Champion vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) hat eine neue Methode erarbeitet, um Planeten im Sonnensystem zu wiegen und ihre Masse über die Auswertung der Radiosignale von Pulsaren zu bestimmen. Radiodaten von insgesamt vier Pulsaren sind dazu verwendet worden, die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn inklusive ihrer Monde und Ringsysteme zu wiegen.
Das neue Messverfahren ist auf 0,03 Promille der Erdmasse oder ein Zehnmillionstel der Masse von Jupiter genau (das entspricht freilich einer Gesamtmasse von 200 Billiarden oder 2 x 1017 Tonnen). Die Ergebnisse sind in einem Artikel für die Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ beschrieben, der über einen öffentlich zugänglichen Preprint-Server abgerufen werden kann. Zum Team gehören Forscher aus Australien, Deutschland, USA, Großbritannien und Kanada.

Eine gängige Methode zur Bestimmung der Massen eines Planeten erfolgt über die Bahnbestimmung seiner Monde oder von Raumsonden im Vorbeiflug. Masse erzeugt Schwerkraft und die Anziehungskraft des Planeten bestimmt wiederum die Bahn eines jeden Objekts, das sich um den Planeten bewegt, in Größe und Umlaufzeit. Die hier beschriebene neue Methode zur Bestimmung von Planetenmassen basiert auf den Korrekturen, die die Astronomen bei der Analyse der Signale von Pulsaren anbringen. Pulsare sind Sterne geringen Durchmessers mit sehr hoher Dichte, die sich extrem schnell um ihre eigene Achse drehen und dadurch periodische Signale mit hoher Zeitgenauigkeit aussenden. Die genaue Ableitung von Planetenmassen auf diese Weise könnte Daten liefern, die für künftige Raumfahrtmissionen von Bedeutung sind.

„Dadurch konnten zum ersten Mal Planeten komplett gewogen werden – und zwar das jeweils gesamte System inklusive aller Monde und Ringe“, sagt David Champion vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, der Leiter des Forschungsteams. „Außerdem tragen wir mit einer unabhängigen Methode dazu bei, vorhandene Ergebnisse zu überprüfen, und unterstützen damit die Arbeit der Planetenforscher.“

Die Erde dreht sich um die Sonne. Die Bewegung beeinflusst den genauen Zeitpunkt, an dem die Signale von Pulsaren auf der Erde eintreffen (Abb. 1). Um diesen Effekt zu korrigieren, berechnen die Astronomen den Zeitpunkt, an dem die Pulse das Massenzentrum des Sonnensystems, das sogenannte Baryzentrum oder Rotationszentrum für alle Planeten, erreichen. Da die Stellung der Planeten zueinander sich mit der Zeit ändert, erfolgt auch eine Bewegung des Baryzentrums relativ zur Sonne.

Zur Bestimmung der genauen Position des Baryzentrums arbeiten die Astronomen mit Tabellen der Planetenpositionen am Himmel (den sogenannten Ephemeriden) sowie mit den bereits gemessenen Werten für die Massen der Planeten. Solange die Ergebnisse vom korrekten Wert abweichen und auch die Position des Baryzentrums nicht korrekt bestimmt ist, tritt ein reguläres sich wiederholendes Muster in den Zeitfehlern bei den Ankunftsdaten der Pulsarsignale auf. „Wir sehen zum Beispiel, wenn die Massenbestimmung für Jupiter und seine Monde falsch ist, ein Muster in den Zeitfehlern der Pulsarsignale, das sich über jeweils 12 Jahre wiederholt, das ist die Zeit eines Umlaufs von Jupiter um die Sonne“, sagt Dick Manchester vom australischen Forschungsinstitut CASS („CSIRO Astronomy and Space Science“). „Sobald der Wert für die Jupitermasse korrigiert wird, verschwinden die zeitlichen Abweichungen.“ Das ist genau der Rückkopplungsprozess, den die Astronomen zur Bestimmung der Planetenmassen genutzt haben.

Beobachtungsdaten von insgesamt vier Pulsaren sind dazu verwendet worden, die Massen der Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn jeweils inklusive ihrer Monde und Ringsysteme zu bestimmen. Die meisten dieser Beobachtungen wurden mit dem Parkes-64m-Radioteleskop in Australien durchgeführt, hinzu kamen Beobachtungen mit dem Effelsberg-100m-Teleskop sowie dem Arecibo-305m-Teleskop in Puerto Rico (Abb. 2). Die daraus erhaltenen Werte stimmen mit den Massenbestimmungen durch Raumsonden überein, wobei der Wert für das Jupiter-System (Jupiter selbst und sämtliche Monde) von 9,547921(2) x 10-4 Sonnenmassen deutlich genauer ist als das Resultat vom Vorbeiflug der Pioneer- und Voyager-Raumsonden. Das Resultat ist etwas weniger genau als das von der Raumsonde Galileo, stimmt aber damit innerhalb der Fehlergrenzen überein.

Die neue Messmethode ist bis auf 200 Billiarden (2 x 1017) Tonnen genau – das sind gerade mal 0,03 Promille der Erdmasse oder ein Zehnmillionstel der Masse von Jupiter. Kurzfristig wird die Massenbestimmung mit Hilfe von Raumsonden die genauesten Resultate für einzelne Planeten liefern, aber die Pulsarmethode ist unverzichtbar für Planeten, die noch nicht von Raumsonden besucht worden sind sowie für die Bestimmung der kombinierten Massen von Planeten und ihren Monden. Die Wiederholung der Messungen ermöglicht eine nochmalige Verbesserung der Genauigkeit. Durch die Beobachtung von insgesamt 20 Pulsaren über einen Zeitraum von sieben Jahren könnte man die Jupitermasse genauer bestimmen als mit jeder Raumsonde. Das gleiche für Saturn würde 13 Jahre Beobachtungszeit erfordern.

„Wir Astronomen benötigen diese extrem genauen Zeitreihenmessungen von Pulsaren für die Jagd nach Gravitationswellen, wie sie von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie vorhergesagt werden“, stellt Michael Kramer fest, der Leiter der Forschungsgruppe „Radioastronomische Fundamentalphysik“ am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Das Aufspüren dieser Wellen hängt vom Nachweis winziger Änderungen im zeitlichen Eintreffen der Pulsar-Signale ab. Dazu müssen wir alle potentiellen Fehlerquellen ausschalten, inklusive der Spuren von Planeten unseres Sonnensystems.“

Bild: David Champion