Neues hochwirksames Antibiotika aus Höhlenbakterien

Neue Einblicke in die bakterielle Antibiotika-Produktion konnten Christian Hertweck, stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) – und sein Team gewinnen. Sie fanden heraus, dass die […]

Neue Einblicke in die bakterielle Antibiotika-Produktion konnten Christian Hertweck, stellvertretender Direktor des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (HKI) – und sein Team gewinnen. Sie fanden heraus, dass die Abwesenheit eines als CerJ bezeichneten Enzyms zur Produktion eines hochwirksamen Antibiotikums führt. Detaillierte Untersuchungen der Wirkungsweise von CerJ brachten einen völlig neuartigen Reaktionsmechanismus zu Tage. Die Arbeit wurde vor kurzem in der international renommierten Fachzeitschrift Nature Chemical Biology veröffentlicht.

Infektionen mit Antibiotika-resistenten Keimen, wie z. B. MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus), stellen eine große Bedrohung in Krankenhäusern dar. Wissenschaftler sind daher beständig auf der Suche nach neuen wirksamen Antibiotika. Das Antibiotikum Cervimycin gehört zu den wenigen Substanzen, die MRSA bekämpfen können. Cervimycin wurde von Wissenschaftlern des Hans-Knöll-Instituts entdeckt. Es wird von Bakterien gebildet, die sich auf steinzeitlichen Höhlenmalereien der italienischen Grotta dei Cervi angesiedelt hatten. Ein Team um den Jenaer Naturstoff-Forscher Christian Hertweck fand nun heraus, dass Bakterien, denen das CerJ-Enzym fehlt, eine noch aktivere Variante dieses Antibiotikums, das sogenannte Cervimycin K, produzieren. Die Wissenschaftler haben damit die Möglichkeit, mit biotechnologischen Methoden die bislang aktivste Form des Antibiotikums nachhaltig zu produzieren. Auf chemischem Weg war die Herstellung dieses Wirkstoffs nicht praktikabel.

Hertweck, er ist Professor für Naturstoffchemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, untersuchte das CerJ-Enzym mit biochemischen Methoden und stieß dabei auf einen vollkommen unerwarteten Wirkmechanismus. In Zusammenarbeit mit Strukturbiologen der Universität Tübingen konnten die Forscher zeigen, dass CerJ eine sehr große Ähnlichkeit mit Enzymen aus der Familie der Polyketidsynthasen aufweist, aber eine völlig andere chemische Reaktion als diese katalysiert. Polyketidsynthasen sind Enzyme, die in der Regel Molekülbausteine zu langen Kohlenstoffketten zusammenfügen. Anders als erwartet katalysiert CerJ jedoch keine derartigen Reaktionen sondern fügt bestimmte Säuregruppen an die Cervimycin-Vorstufe an. Wird dieser Schritt nun durch Inaktivierung von CerJ unterbunden, entsteht das deutlich aktivere Cervimycin K. „Wir haben es hier mit einem neuen Reaktionsmechanismus für ein Enzym dieser Familie zu tun. Dessen Entschlüsselung ist nicht nur biochemisch sehr interessant, sie eröffnet uns darüber hinaus elegante Möglichkeiten zur biotechnologischen Herstellung neuer Antibiotika“, so Hertweck über die Bedeutung der Forschungsergebnisse. Und neue Antibiotika sind angesichts immer weiter verbreiteter Resistenzen bei gefährlichen Krankheitserregern heute dringender erforderlich denn je.

Originalpublikation
Bretschneider T, Zocher G, Unger M, Scherlach K, Stehle T, Hertweck C: A ketosynthase homolog uses malonyl units to form esters in cervimycin biosynthesis. Nature Chemical Biology 8, 154–161 (2012), doi:10.1038/nchembio.746
http://www.nature.com/nchembio/journal/v8/n2/full/nchembio.746.html

Bild: Sebastian Karkus / pixelio.de