Filme und Computer- bzw. Videospiele, die in Deutschland im Handel vertrieben werden, müssen seit 1. Juni 2009 deutlichere, sprich größere Alterskennzeichnungen haben. Diese zeigen an, ab welchem Alter Kinder oder Jugendliche bestimmte Medieninhalte, wie zum Beispiel Filme oder Computerspiele, kaufen bzw. nutzen dürfen. Eine Studie der Universität Erfurt (UE) und der Hochschule für Musik, Theater und Medien, Hannover, kommt nun zu dem Ergebnis, dass diese rechtliche Maßnahme nur bedingt erfolgreich gewesen ist.
In einem von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Forschungsprojekt haben Juniorprofessor Dr. Sven Jöckel (Universität Erfurt), Dr. Daniela Schlütz und Christopher Blake, M.A. (beide HMTM Hannover) Eltern und Kinder mit verschiedenen Film- und Computerspielverpackungen konfrontiert. Mittels eines sogenannten Eye-Trackers, der die Blickbewegungen von Personen erfasst, wurde aufgezeichnet, wann und wie lange die Studienteilnehmer die entsprechenden Alterskennzeichnungen betrachtet haben. Der Vergleich der alten, noch im Jahr 2008 genutzten Kennzeichnungen und der neuen, mittlerweile verfügbaren Alterskennzeichnungen zeigte, dass sowohl Kinder als auch Eltern die neuen Kennzeichnungen früher wahrnehmen und auch intensiver betrachten. Gleichzeitig ergab sich jedoch bei den untersuchten Jungen im Alter von 12 bis 13 Jahren eine nicht intendierte Wirkung: Durch die neuen, nun größeren Alterskennzeichnungen stieg das Interesse bei den Jugendlichen, eben gerade solche Titel zu nutzen, für die sie eigentlich zu jung sind. Die Forschung spricht hier von einem „Forbidden-Fruit“-Effekt. Heißt: Die Verbote steigern die Attraktivität bestimmter Inhalte sogar. Sven Jöckel: „Die Änderung im Jugendmedienschutzgesetz scheint neben dem intendierten Effekt der gesteigerten Wahrnehmung von Alterskennzeichnungen also auch zu einem in der Forschung bekannten, aber unerwünschten „Forbidden-Fruit“-Effekt bei den Jugendlichen geführt zu haben“. Und Christopher Blake ergänzt: „Auch wenn wir uns in unserer experimentellen Studie nur auf Jungen in einem bestimmten Alter beschränkt haben, zeigt sich, dass die Vergrößerung der Alterskennzeichnungen zumindest bei dieser Gruppe einen solchen Effekt ausgelöst hat. Die Eltern selbst standen schon bei den alten Kennzeichnungen nicht altersgerechten Inhalten sehr kritisch gegenüber“.
In Gruppendiskussionen mit den Studienteilnehmern fanden die Forscher außerdem heraus, dass Eltern zwar sehr viel Wert auf altersgerechte Medieninhalte legen, sich aber nicht ausschließlich auf die vom Gesetzgeber veranlassten Alterskennzeichnungen verlassen: „Obwohl wir mit relativ gut informierten Eltern gesprochen haben, zeigte sich immer wieder, dass die Eltern Kriterien unabhängig von Alterskennzeichnungen anlegen. Sie orientieren sich stärker an bestimmten Bildern und Begriffen bzw. am Inhalt als an der Kennzeichnung “, folgert Daniela Schlütz. Alterskennzeichnungen sind demnach wichtige Hinweise dafür, ob ein Film oder ein Computerspiel für Kinder und Jugendliche geeignet ist. Die reine Vergrößerung von Kennzeichnungen auf den Verpackungen dieser Medien scheint jedoch nicht der alleinige Weg zu sein, auf eventuell nicht altersgemäße Medien hinzuweisen. Sven Jöckel gibt zu bedenken: „Kinder unterscheiden sich in ihrem Entwicklungsstand oft stark. Was für den einen Zwölfjährigen zu viel ist, kann man bei einem anderen vielleicht ohne Bedenken empfehlen. Leider verzichtet das deutsche System der Alterskennzeichnung darauf, den Eltern Hinweise auf die Inhalte eines Films oder Computerspiels zu geben. Andere Länder sind da schon weiter und weisen genauer aus, womit sich die Alterskennzeichnung inhaltlich begründet“. Die Forscher aus Hannover und Erfurt sind sich einig: Auf den deutschen Jugendmedienschutz kommt noch ein wenig Arbeit zu, nicht nur vor Weihnachten.
Bild: © Gerd Altmann/dezignus.com / pixelio.de / PIXELIO
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